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Bangladesch, Dezember 1998 Rechtzeitig auf Weihnachten habe ich es wiederum geschafft, mich in ein moslemisches Land hinüber zu retten (Anm. von Mami: wir müssen dem armen Aendi ein lebenslängliches Weihnachtstrauma mit Flöten, Päckli und Bäumli angehängt haben!) und befinde mich zur Zeit in Bangladesch. Gab es in Kalkutta seltsamerweise noch einen grossen Weihnachtsmarkt, sind die Weihnachtsglocken nach dem Grenzübertritt gänzlich verstummt. Dafür erschallt der Gebetsruf des Muhezin wiederum fünfmal täglich. Hier fehlen nicht nur der Samichlaus und die Christbäume, auch Frauen sind fast keine anzutreffen. In Anbetracht dessen, dass Bangladesch nach Singapur das dichtbesiedeltste Land ist, scheint es zwar vernünftig, die Hälfte der Bevölkerung zu Hause zu lassen. Nicht auszumalen, wenn einem zusätzlich zu den um Teestände gruppierten Männer auch noch Frauen im Wege stehen würden! Trottoirs und die engen Gassen in den Basaren würden gänzlich unpassierbar. Da Bangladesch zudem nicht gerade Touristendestination Nr. 1 ist, kommt mir in der Öffentlichkeit eine Aufmerksamkeit zu, die alles Bisherige in den Schatten stellt. Wo immer ich mich hin bewege, ist mir eine grosse Gefolgschaft sicher. Bleibe ich stehen, bin ich sofort von einer Menschenmenge umzingelt, die mich meist stumm von oben bis unten betrachtet; hundert Augenpaare, die meinen Bewegungen folgen und sich wohl wundern, was das seltsame Wesen mit der grossen Beule am Rücken hier verloren hat. Das weiss ich selbst auch nicht so genau, hingegen weiss ich, wonach ich suche: Nach einem Schiff, das mich so schnell wie möglich von hier nach Burma bringt. Da es keinen legalen Grenzübergang gibt, ist der Seeweg die einzige Möglichkeit, wenn ich nicht doch noch ein Flugzeug besteigen will. Ein Boot zu finden, ist jedoch weitaus weniger einfach, als ich mir das vorgestellt habe. Die Sicherheitsvorschriften sind so streng, dass es mich zwei Tage kostete, in den grössten Hafen eingelassen zu werden. Und dies, obwohl ich überaus hilfsbereite Leute traf, die ihrerseits Beziehungen zu anderen überaus hilfsbereiten Leuten in entscheidenden Stellungen pflegen. Mit dem ganzen Rattenschwanz überaus hilfsbereiter Leute gelangte ich schliesslich in einem Konvoy von drei Fahrzeugen in die Hafenanlage. Zuerst war es mir etwas peinlich, die kostbare Zeit so wichtiger Leute in Anspruch genommen zu haben; durch die Zielstrebigkeit, mit der wir die halblegale Verkaufsstelle für billigen Importalkohol ansteuerten, wurde mir klar, dass die Motive meiner Begleiter so uneigennützig nicht waren. Die Bangladeschi sind sehr gastfreundliche Leute, ich komme wiederum ausnahmslos privat unter. Manchmal reissen sich die Leute gar um das Privileg, mich zu beherbergen. Die Gastfamilie ist dann für einige Tage König im Dorf und wird von Leuten besucht, die sie vorher nicht kannte. Abwerbungsversuche sind keine Seltenheit. Auch landschaftlich hat das Land einiges zu bieten: Regenwälder und Mangrovensümpfe für diejenigen, die gegen Malaria immun sind, Schwemmland und riesige Deiche für solche, die Schlamm und nasse Füsse mögen, lange Sandstrände für alle, die sich von einem Volksaufmarsch neugieriger Zuschauer nicht irritieren lassen. Das Leben hier ist seit einigen Tagen dadurch erschwert, dass der Fastenmonat Ramadan begonnen hat und alle, die es sich leisten können, auf das Aktivitätsniveau eines Koala - 20 Stunden dösen, 4 Stunden essen - abgesunken sind. Von der Familie, bei der ich wohne, werde ich mitten in der Nacht aus dem Schlaf gerissen, um mich kurz vor Sonnenaufgang nochmals mit einer ordentlichen Ladung Reis vollzustopfen. Dass ich keinen Hunger habe, weil ich noch von dem üppigen Nachtessen zehre, das ich kurze Zeit nach der kleineren Mahlzeit bei Einbruch der Dunkelheit eingenommen habe, wird als Entschuldigung nicht akzeptiert. Schliesslich gilt es, bis zum Sonnenuntergang durchzuhalten, der akute Hungertod kann tagsüber jederzeit eintreten. So gehe ich um vier Uhr morgens zum zweiten Mal in derselben Nacht mit vollem Bauch zu Bett, - verdammt hart, so zu fasten, man könnte glatt vom Glauben abfallen! Die Offenherzigkeit und Hilfsbereitschaft der Leute habe ich mir zunutze gemacht, um mir einige der unzähligen Entwicklungsprojekte anzusehen und sowohl mit Verantwortlichen als auch mit Betroffenen zu sprechen, soweit es die sprachlichen Schwierigkeiten zuliessen. Einmal wurde mir gar ein Fahrzeug mit Chauffeur zur Verfügung gestellt, um die entlegenen Dörfer zu besuchen. Möglichkeiten, irgendwo mitzuarbeiten, gäbe es viele, aber ich bezweifle, dass dieses Land für mich der richtige Ort für humanitäres Wirken ist und ich mich hier längerfristig wohl fühlen würde. Ich komme mir vor wie ein Fettauge, das für alle sichtbar oben auf dem Wasser schwimmt und immer ein Fremdkörper bleiben wird. Einige der NGOs, die sich vor allem für Frauen einsetzen und ihnen Kredite für Ausbildung und Startkapital für ein eigenes kleines Geschäft gewähren, gerieten vor einigen Wochen in arge Bedrängnis, als sie von militanten islamistischen Fundamentalisten gestürmt wurden. Man kennt das ja mit den Frauen: Kaum erlaubt Mann ihnen, das Haus zu verlassen, schon gehen sie fremd! Die Auffassung, dass Weiss die superiore Rasse ist, hat sich auch hier durchgesetzt. Eine Mutter hat vehement abgewunken, als ich ihr sagte, wie hübsch ihr vierjähriger Sohn sei. Nein, gar nicht hübsch sei der, er sei viel zu schwarz! Wie wenn ihr ein Kuchen im Ofen missraten wäre! Wie bereits im Iran und in Pakistan sehe ich mich wiederum mit latentem Faschismus und offen erklärtem Antisemitismus konfrontiert. Es gibt Leute, die mir stolz ein Bild von Hitler, das sie in ihrer Brieftasche aufbewahren, unter die Nase halten und verkünden, welch grosser Staatsmann er war. Was sich dazumal in Europa genau abgespielt hat, wissen sie zwar nicht, aber das mit den Juden sei schon gut. Juden kennen sie keine, nein, dafür Hindus! Die wenigen Hindus, die nach der Abspaltung von Indien im Land verblieben sind, fristen ein einfaches Dasein und werden phasenweise aktiv verfolgt, besonders wenn der moslemischen Minderheit in Indien Unrecht geschieht. Selbst im säkularen Indien schwelt der Konflikt zwischen Hindus und Moslems. Ein kleiner, scheinbar unbedeutender Funke genügt, damit Gandhis Kinder den gewaltfreien Pfad verlassen. Geben sich Kuhanbeter und Kuhesser ordentlich aufs Dach, steht der Tempel bzw. die Moschee nicht mehr im Dorf, sondern wird von der jeweiligen Gegenpartei niedergerissen und dem Erdboden gleich gemacht. Plötzlich ist das scheinbar friedliche Zusammenleben völlig gestört, und es werden Geschäfte und Häuser gestürmt und Leute in den Strassen sinnlos niedergemetzelt. Da Moslems beschnitten sind und Hindus nicht, gib es im Zweifelsfall keine Identifikationsprobleme, zumindest nicht bei den Männern, und Frauen sind ja kaum alleine unterwegs. Einmal, in einer südindischen Stadt, spielte sich kurz vor meiner Ankunft ein solch unseliges Desaster ab: Schulen und die meisten Geschäfte waren noch geschlossen, obwohl die einwöchige Ausgangssperre, die über die Industriestadt von immerhin zwei Millionen Einwohner verhängt wurde, am Tag zuvor aufgehoben worden war. Auslöser für die Ausschreitungen war ein Verkehrsunfall. Der Zusammenstoss zweier Autos verursachte zwar nur Blechschaden, der Streit zwischen den beiden Fahrzeugführern um die Schuldzuweisung dagegen bereits ein Todesopfer durch Messerstich. Dummerweise war der Tote ein Moslem und der andere ein Hindu. Den Rest besorgte der Imam in der Moschee, der dem gewaltsam Verstorbenen gedachte, worauf sich die gegen Mekka Geneigten unverzüglich erhoben und zum nächst gelegenen Tempel schritten usw., bis die Gewaltspirale von der Armee ebenso gewaltsam gestoppt wurde. Nepal hat mir äusserst gut gefallen, und ich hätte dort beinahe einen Job angenommen. Letztlich war ich von der Sache doch nicht mehr so ganz überzeugt und beschloss, mir noch etwas mehr von der Welt anzusehen, bevor ich in ein geregeltes Berufsleben einsteige. Die Entscheidung wurde mir vom allmählich einziehenden Winter erleichtert. Dank meiner Stiftenjahre an der Lyssachstrasse weiss ich, wie es ist, ohne Heizung durch den Winter zu frieren. Immerhin habe ich einen dreiwöchigen Schnupperkurs für ausgestiegene Wiedereinsteiger absolviert und gesehen, wie es so wäre, wiederum zu arbeiten. So sass ich den ganzen Tag in einem Büro und hackte seitenweise Text in einen Kompi, beschäftigte mich mit der Ausarbeitung einer Projektdokumentation und Übersetzung derselben. Die restliche Zeit in Nepal verbrachte ich auf der Wanderschaft durch den Himalaya und in entlegene Täler an der tibetanischen Grenze. Etwas frustrierend dabei waren jeweils die Sherpas, die trotz schwerer Last leichtfüssig auf der Überholspur den Berg hinauf rannten. Der moderne Sherpa - übrigens eine aus Tibet stammende ethnische Gruppe und keine Berufsbezeichnung - geht nicht mehr barfuss, sondern er leistet sich ein Paar der Gummischlarpen, die bestenfalls dazu geeignet sind, auf einem flachen Stück Sandstrand zu gehen. Auf einem der Trecks kam mir am zweiten Tag ein mit 70 leeren Bierflaschen beladener Sherpa entgegen. Am Ende des dritten Tages sass er mir bereits wieder im Nacken, diesmal mit 70 vollen Flaschen. Als er sich etwas weiter eine kurze Rast und eine halbe Schale Reis gönnte, vertraute er mir mit glänzenden Augen an, dass er das Geschäft seines Lebens mache. Er hoffe, dass die Expeditionsgruppe in einem der Basislager noch lange Zeit festsässe, damit er noch viel Bier bringen und viel Geld verdienen könne. Pro Flasche erhält er 10 Rupien (ca. 20 Rp.), und für den Weg bis zum Basislager und zurück benötigt er 8 Tage. Damit sei die Frage geklärt, warum nicht mehr Lasttiere eingesetzt würden, das Halten von Menschen sei billiger! Leider habe ich bei der Everest-Besteigung den Weltrekord von 30 Stunden nur knapp verfehlt. Nein, es ist mir ein Rätsel, wie es möglich ist, so viele Höhenmeter in so kurzer Zeit zu überwinden. Ab 4'500 m wird die Luft merklich dünner und jeder Schritt kostet eine unglaubliche Anstrengung. Immerhin kann ich stolz verkünden, einen Gipfel von 5'500 m erklommen zu haben, was ich jedoch beinahe mit dem Erstickungstod bezahlt hätte. Für diese Exkursion schloss ich zwei österreichischen Profi-Bergsteigern vom Typ "rote Socken und Knickerbocker" an, die mit gesenktem Kopf unter Einsatz von Skistöcken ihrem Sherpa hinterher schritten und wenig Verständnis für den nach Sauerstoff schnappenden Nachzügler aufbrachten. Auf einer der Wanderungen einem Fluss entlang fiel mir etwas Schwarzes auf, das sich im Wasser an einem Busch verfangen hatte und wie eine halb verbrannte Leiche aussah. Später habe ich erfahren, dass es tatsächlich eine halb verbrannte Leiche war und dass dies nichts Aussergewöhnliches ist. Es wäre natürlich schon besser, wenn die Verstorbenen anständig kremiert und nur die Asche dem Fluss übergeben würde, aber vielfach fehle es halt an Holz und am Geld. Die Einwohner Kathmandus werden etwas ausserhalb der Stadt am Ufer eines Zuflusses zum Ganges kremiert. An diesen öffentlich zugänglichen Stätten herrscht pietätloser Kommerz, es wird um jedes Holzscheit gefeilscht, während die Leiche aufgebahrt wartet. Reiche und Arme sind auch nach dem Tod nicht gleich, sondern werden an strikt getrennten Orten verbrannt. Billig und ganz praktisch sind diejenigen, die nicht kremiert werden dürfen, denen bindet man einen Stein um und wirft sie so ins Wasser. Ähnliche Bilder sieht man an den Burning Ghats am Ganges. Ein ganz beleibter Ort zum Sterben ist Varanasi, eine der 7 heiligen Städte des hinduistischen Indien. An den Ufern des Ganges wird jedoch nicht nur kremiert, sondern auch in Massen rituell gebadet. Es fällt zwar schwer, sich vorzustellen, dass diese trübe Suppe reinigende Wirkung haben soll. Da das Ritual auch einen kräftigen Schluck Gangeswasser beinhaltet, ist es praktisch, dass die Krematorien gleich nebenan liegen. Es ist spannend, am Ganges zu sitzen und all die wundersamen Pilger zu beobachten, die sich dort einfinden: Heilige Männer, die ihre nackten Körper und langen Haare mit Asche einschmieren und andere Sadhus mit orangen Roben und weiss bepinselten Gesichtern, die keine Kastengrenzen kennen und bei Allen gleichzeitig betteln; selbsternannte Gurus und Baghwane, die vor imaginärem Publikum predigen; Wegelagerer, die am Boden kauern und sich auf kleinen Schildern als Handlinienleser, Astrologen und Numerologen zu erkennen geben; fliegende Händler, die von Zahnpasta über Blumen bis zum Spielzeug alles Erdenkliche feilbieten; Massen von Lemmingen, die sich vom regen Treiben nicht ablenken lassen und sich schnurstracks in die heiligen Fluten stürzen. Letzte Station in Indien war Kalkutta, eine weitere im Dreck versinkende indische Grosstadt. Hier sollen 100'000 Menschen pro km² leben. Die typische "corde insanitaire" aus Slumsiedlungen, welche eine indische Stadt umgibt, scheint noch breiter und der Unterschied zwischen Reich und Arm noch krasser zu sein. Billigstes Transportmittel sind von Menschen gezogene Kutschen: eingespannte hagere Gestalten, die sich barfuss auf dem heissen Asphalt einen Weg durch den dichten Verkehr bahnen, während die Passagiere hinten auf dem gedeckten Zweiersitz hocken. Dass ich auf meiner Reise quer durch Indien keinem Guru anheim gefallen bin, ist ein leicht zu klärendes Wunder. Manch einer hat offensichtlich gemerkt, dass der spirituelle Drang aus dem Westen die Tempelkassen klingen lässt und dementsprechend unverschämt ist der Abriss. Aus reiner Neugierde besuchte ich ein solches Ashram, wie die Meditationszentren genannt werden, das speziell auf die westlichen Bedürfnisse ausgelegt ist. Das einzige, das mir westlich vorkam, waren die Preise. Fragen des Neuankömmlings wurden, wenn überhaupt, nur dürftig beantwortet. Die klärten sich nach einiger Zeit des Mitmachens von selbst. Ansonsten sei auf die gesammelten Werke des Guru - dünne Bände mit noch dünneren, sinnleeren Sprüchen in schlechtem Englisch - verwiesen, die es im ashram-eigenen Buchladen zu kaufen gibt. Aus dem Faltprospekt, den mir einer der entrückt Lächelnden in die Hand gedrückt hatte, konnte ich erfahren, dass die Grundphilosophie dieses Ashrams sei, keine Philosophie zu haben. Aha! Des weiteren war zu lesen, dass das Individuum im Zentrum stehe. Damit es sich in der Gruppe wohl fühle, soll es sich doch bitte eine weinrote Robe anschaffen, die im ashram-eigenen Laden zu kaufen sei. Diese Robe sei das einzige zulässige Kleidungsstück im Innern und nicht zu verwechseln mit der rosaroten und der weissen, die nur für eine spezielle Meditation zu einer bestimmten Tageszeit getragen werden dürfe und die man sich bitte auch gleich anschaffen solle. Tja, das war mir doch etwas zu individualistisch, und mein Urlaub im Club Meditation dauerte keinen halben Tag. Ein anderes Ashram wurde mir von einer älteren Dame empfohlen, die mir damals noch recht vernünftig vorkam. Jenseits jeglicher Vernunft dagegen war, was sich dort drinnen abspielte. Garderobenvorschriften gab es diesmal keine, dafür mussten sich alle in der grossen Halle zur Morgenmeditation einfinden und vor Beginn den Namen des Guru dreimal laut ausrufen. Dies sei rein zufällig, liess ich mir später erklären, es hätte auch ein beliebiges anderes Wort sein können. Mit dem leichten Aussprechen dieses fünfsilbigen Namens kann diese zufällige Wahl kaum zusammenhängen! Der Guru gab der versammelten Jüngergemeinde später persönlich die Ehre. Bei seinem Auftritt beeilte sich die ergebene Anhängerschaft der Langzeitinsassen, seine lange Robe zu küssen. Andere gaben sich distanzierter und hoben lediglich die Arme in mehreren schwungvollen Bewegungen, bis der Guru nach einer Weile abwinkte und Einhalt gebot. Der bärtige Halbgott erschien in dem kräftigen Orange, das bei uns der unteren Kaste der Müllmänner und der Gleisarbeiter vorbehalten ist. Erhob er seine Stimme, ging jeweils ein lautes Raunen durch die Menge, und das wenige, das er sagte, war von einem Summen der mit geschlossenen Augen Lauschenden begleitet. Dann herrschte wieder für eine unendlich lange Weile absolute Stille. Dass sein Typ auch ausserhalb des Ashram gefragt ist, verriet das Handy, das unter der orangen Robe versteckt zu läuten anfing. Möglicherweise hatte er auch dringende Börsengeschäfte zu erledigen, das Vermögen aus der spirituellen Goldgrube sollte ja gut angelegt werden! Schliesslich fand ich in Südindien einen persönlichen Guru, einen jungen Brahminen (oberste Kaste der Tempeldiener), der selbst 5 bis 6 Stunden am Tag meditiert und gewillt war, mich in diese hohe Kunst einzuführen. Die erste Sitzung bei ihm zu Hause war der Übertragung von spiritueller Energie gewidmet. Ich musste mich auf den Boden legen, er seinerseits nahm die Lotusstellung (Schneidersitz mit nach oben gekehrten Fussohlen) ein, sagte irgendwelche Mantras in Sanskrit auf und liess Energie von ihm zu mir fliessen. Dass ich davon nichts gespürt hätte, wäre normal, liess er mich wissen, die Wirkung in ihrer ganzen Tragweite würde sich erst später einstellen. Nun gut. Offenbar besass ich damit bereits das nötige Rüstzeug für die erfolgreiche Meditation. Fortan meditierten wir mehrmals täglich, d.h. er meditierte, während ich mir überlegte, wie ich ihm beibringen könnte, dass ich noch immer nicht wisse, wie man meditiert. Dies bekümmerte ihn jedoch weit weniger, als ich angenommen hatte. Ich müsse einfach weiterhin üben und es so machen wie er. Nach wenigen Tagen war er der Meinung, dass ich weit genug fortgeschritten wäre und ihn nun nicht mehr bräuchte. In Zukunft solle ich mindestens einmal täglich meditieren, damit die wertvolle Energie nicht verlorengehe. Da er mir seine Geheimnisse aus der meditativen Trickkiste kostenlos anvertraute, konnte ich nicht mal mein Geld zurückverlangen! Seit ich diesen Brief begonnen habe, ist wiederum mehr als eine Woche verstrichen. Wenigstens in einem Punkt scheine ich micht gut angepasst zu haben: Zeitbegriffe spielen auf dem indischen Subkontinent nur eine untergeordnete Rolle. Sowohl im Hindi wie auch im Nepali wird nicht unterschieden zwischen "gestern" und "morgen" und dafür dasselbe Wort verwendet! Mein nächstes Ziel wird Thailand sein, und dort soll es mit den Kommunikationsmöglichkeiten stark aufwärts gehen. Mal sehen, ob das auch tatsächlich stimmt! Alles Liebe Andrea |