Das Zitat vom 29. Juli 2000:
" Wer hat dir gesagt, dass du nackt bist? "
(Frage Gottes an Adam,
aus dem Alten Testament, 1. Buch Mose, Kapitel 2, Absatz 3)
Was unterscheidet den Menschen vom Affen?
Laut Mani Matter, und laut der Bibel:
dass er Hemmungen hat,
also dass er die Scham kennt.
Daran kommen mir allerdings immer mehr Zweifel,
weshalb diese Zeilen Ventil sein sollen
um Ekeldampf abzulassen.
Ich arbeite im Moment in einer Jugendherberge,
mache das Frühstück,
wasche das Geschirr ab,
putze Duschen und Toiletten.
Und treffe dort eines nur selten an:
Scham.
Beim Frühstück:
Wenn im Brotkorb nur noch Scheiben mit viel Kruste liegen,
wird danach gefragt,
"ob denn kein Brot mehr dasei"?
Müsli wird auf unappetitlichste Weise übergossen mit Yoghurt und Milch zugleich,
und da solchen Matsch natürlich keiner freiwillig zuende isst,
landet das meiste davon bei mir, bei der Abwaschmaschine.
Auch Marmelade und Butter
streicht man sich lieber in dicken Klumpen auf den Teller,
und wenn man auch die Hälfte wieder fortwerfen muss.
In der Toilette:
Hier geht noch mehr.
Spülen, diese lästige Pflicht,
lassen nicht wenige einfach sein.
Und auch wenn gespült ist,
kleben oft noch Überreste des unappettitlichen Geschäftes
an den überraschendsten Stellen der Keramikschüssel.
Ein weiteres Rätsel sind die Fetzen von Klopapier,
die täglich in jeder Toilette den Boden bedecken,
als hätte jemand eine merkwürdige Form von Konfettiwerfen gespielt.
Mehr zu sagen hiesse echte Übelkeit zu erregen,
also sei's damit genug.
Scham oder nicht Scham,
sicher liegt die goldene Mitte eben dort,
in der Mitte.
Aber vor allem wenn ich angefressene Käsescheiben
und zerstocherte Müsli-Berge fortwerfen muss
frage ich mich oft:
Mensch, hat euch denn keiner gesagt,
dass ihr nackt seid?
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