Das Zitat vom Sonntag, dem 11. Oktober 1998:
" 'Und Atheisten?' [...] ' Die langweilen mich, weil sie immer nur von Gott sprechen.'"
(Aus dem Roman "Ansichten eines Clowns" von Heinrich Böll)
Obwohl dieser Roman im Hinblick auf eine ganz bestimmte Zeit geschrieben wurde, so dass manche seiner Anliegen
etwas überholt sind, findet ich darin auch heute noch unzählige Sätze, die mich unmittelbar ansprechen und berühren.
Den oben zitierten habe ich beim ersten Lesen kaum beachtet, da ich ihn nicht gut verstand.
Später, als ich mich mehr für Religionen zu interessieren begann, erkannte ich,
dass dieser Satz sehr weise ist.
Denn was heisst "Gott?"
"Gott" kann beinahe alles bedeuten - manche Menschen verehren einen Sänger abgöttisch,
andere haben eine religiöse Empfindung, wenn sie am Ufer des Meeres stehen,
wieder andere setzen Gott mit Geld gleich.
Wer auf "herkömmliche" Weise religiös ist, hat im Idealfall eine Art inneren Frieden gefunden. Er kann durch seinen Glauben den
Stürmen des Lebens etwas besser trotzen als nichtreligiöse Menschen.
Ein sogenannter "Atheist" dagegen - und irgendwie bin ich auch einer -
hat in seinem Leben einen weissen Fleck, ein Loch, das gefüllt werden muss. Vielleicht könnte man sagen,
ihm fehle der Sinn.
Also versucht er dieses Loch zu füllen - eben mit Geld, mit dem Anblick des Meeres, mit dem Verehren eines Stars.
Er sucht verzweifelt nach etwas, das sein Leben komplettieren kann, sucht also einen Gott.
Und deshalb kann man wohl sagen, die Atheisten sprächen dauernd über Gott - weil sie ihren Gott
noch nicht gefunden haben.
Übrigens: ob ein religiöser Mensch nicht eigentlich viel naiver
und sich selbst gegenüber unehrlicher ist
als ein Atheist,
ist eine andere Frage.
Ich vermag sie nicht zu entscheiden.
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