FILM - REVIEWS:

Für meine aktuellen Kritiken bitte den Freizeit-Channel auf WorldOnline besuchen!
Bisher:
*
Grosse Gefühle
Exklusiv
Phörpa - The Cup
Sonnenallee
Komiker
Im Juli
Shower
Gripsholm
O Brother, Where Art Thou?
*

Film-PitchesFilm-Reviews

*

TITEL DATEN KRITIK KURZ & GUT (ODER SCHLECHT...)

Eyes Wide Shut
Drama, USA, 1999
R: Stanley Kubrick
A: Stanley Kubrick, Frederic Raphael (nach Arthur Schnitzler's Traumnovelle)
D: Tom Cruise, Nicole Kidman, Sydney Pollack

Link: Eingehende Analyse der Symbolik


*
Eigentlich interessierte mich dieser Film trotz des grossen Rummels kaum, erstens weil ich kein besessener Kubrick-Fan bin und zweitens weil mich Geschichten über "sexuelle Obsessionen" etwas langweilen.
Mein Interesse wurde aber geweckt, als ich den Ausschnitt sah, in dem Alice (Kidman) ihrem Mann Bill (Cruise) gesteht, dass sie vor einem Jahr einem Offizier begegnet sei, für den sie, ohne je ein Wort mit ihm gesprochen zu haben, auf der Stelle alles - Ehe, Kind, Zukuft - bedenkenlos hingegeben hätte. Dieses Gespräch und seine Konsequenzen wollte ich unbedingt sehen.

Jetzt, nachdem ich den Film gesehen und eine Menge Gedanken und Erläuterungen dazu gelesen habe, habe auch ich bemerkt, dass der grösste Teil des Films auf eine gewisse Art "im Hintergrund" abläuft. Alles ist voller Symbolik, alles ist sehr bedeutungsvoll - die Farben der Tapete, die Masken, die Frisuren der Charaktere, jede Note der Musik. Die eigentliche Geschichte des Films scheint eher ein relativ nebensächliches Vehikel zu sein, das die verschlüsselten, wirklichen Anliegen transportiert.
Nun ist es gewiss eine grosse Arbeit und Kunst, solch eine komplexe Symbolik aufzubauen und im Film zu verwirklichen. Und sicherlich ist es für viele Zuschauer ein intellektuelles Vergnügen, diese Knoten im Nachhinein wieder zu entwirren. Aber ganz abgesehen davon, wie anspruchsvoll oder zumindest vielschichtig ein Film daherkommt, der Geschichte sollte immer auch genügend Wichtigkeit eingeräumt werden. Ob sie in "Eyes Wide Shut" nicht allzusehr vernachlässigt und zum Teil ins Lächerliche gezogen wird?

Zu Beginn des Films ist sie zweifellos hochinteressant und spannend. Das Ehepaar Harford nähert sich in kleinen Schritten unaufhaltsam einem tiefen Abgrund, von dem es zu Beginn noch kaum etwas ahnt. Die Stimmung ist immer angespannt, ständig droht eine Situation ins Verheerende zu kippen.
Optisch ist dies bekanntermassen (Kubrick) perfekt orchestriert. Der Kontrast zwischen Rot und Blau, die farbenwirren Weihnachtsbäume, die Kameraeinstellungen. Es ist beinahe zuviel des Guten - der Realitätsanspruch des Films tritt oft völlig in den Hintergrund ob all der optischen Opulenz. Zwar lässt sich das Ganze so verstehen, als ob es nur Traumbilder wären, aber ... dazu später.

Zurück zur Geschichte: wirklich beeindruckend ist, wie solch scheinbar unbedeutende Dinge wie ein einmalig gespürtes Verlangen, ein heftiger Traum oder ein kurzer Kuss eine unglaublich erschütternde Wirkung auf die Menschen haben können. Der kleinste Lufthauch bringt uns aus der Balance. Das Geständnis Alice's ist gerade deshalb so fesselnd, weil sie im Grunde nichts zu gestehen hat - zumindest nichts, was nicht nur in ihrem Kopf geschehen wäre.
Aber wie real sind Träume, und wieviel der Realität ist Traum? Diesen Fragen geht der Film nach - man merkt's schon am Titel. Allerdings tut er dies leider nur auf der symbolischen Ebene Konsequent von Anfang bis Ende. Auf der Story-Ebene liegt zwischen dem wunderbaren Anfang und dem guten Ende ein merkwürdiges, unpassendes Drittes: die Mitte.

Hat man eben noch darüber gestaunt, wie kraftvoll die Szenen zwischen Alice und Bill sind, obwohl die beiden nichts als reden, hat man sich eben noch an dem ergötzt, was man "Woody Allen in Ernst" nennen könnte (Allen war ja kurzzeitig für Cruise's Rolle vorgesehen...), so wird man plötzlich in einen ganz anderen Film katapultiert; Bill, der Ehemann, streift nach dem Gespräch mit seiner Frau im Schockzustand durch die Stadt, und gerät schliesslich in eine aufwendig inszenierte Sex-Orgie. (Und Alice verschwindet leider für eine lange Zeit komplett von der Leinwand.)
Nun sind wir gerade bei dieser Orgie und ihren Folgen natürlich weit im Territorium des Symbolischen. Die Rituale und Masken stehen wohl für manches, vieles, nur nicht für Rituale und Masken. Und so kann man die fantastischsten Gedankengebäude in diese Szenen hineininterpretieren, und den Regisseur für diese aufwendige, reiche Projektionsfläche preisen. Aber - was man wirklich sieht, sind eben noch immer Rituale und Masken!
Und was man wirklich sieht, ist eben auch nicht ganz zu vernachlässigen, implizierte tiefere Bedeutungsebenen hin oder her. Und in diesem Teil des Filmes gefällt das, was man wirklich sieht, wenig. Die Orgie soll offensichtlich geheimnisvoll, düster, unheimlich und abgründig wirken. Aber wenn man sich nur ein kleines bisschen dem Sog des dumpf dröhnenden Gesanges zu entziehen vermag - und man vermag es  -, dann merkt man schnell, wie lächerlich die ganze Show eigentlich ist.
Da stehen eben ein paar Maskierte rum, die's gern vor den Augen anderer tun; weshalb dieses Riesengetue um die natürlichste Sache der Welt? Da sind eben welche am (Entschuldigung!) Bumsen - dass sie dabei Masken tragen, sphärische Musik hören und sich nur im Zeitlupentakt bewegen, beeindruckt wenig. Mit dem Rotgewandeten, der tief brummelnd durch den Saal wandelt und mit seinem Stab auf dem Boden rumhaut, hat man eher Mitleid, als dass man von ihm beeindruckt ist.

Sodann tritt eine etwas konventionelle, wenn auch gelungen inszenierte Verschwörungsgeschichte in den Vordergrund - und man fühlt sich plötzlich in den Grisham-Thriller "Die Firma" zurückversetzt, inklusive immerzu ungläubig starrendem Tom Cruise.
Wieder mag man einwenden, verborgene Bedeutungen spielten die Hauptrolle - aber wenn man sich eben wünscht, die Beziehung zwischen Alice und Bill möge wieder einmal zur Sprache kommen, wünscht man sich's eben. Mag die Symbolik streng weitergeführt werden, auf der Ebene der Geschichte reissen Bill's "Ermittlungen" ein Loch in die Handlung. Und der heftig überrissen dargestellte Homosexuelle Portier hilft der Sache wenig.

Gegen Ende folgen dann wieder ein paar Szenen zwischen Alice und Bill wie man sie sich wünscht. Zwar hat ein Kritiker nicht ganz unrecht, der einwendet, der geschilderte Traum sei beinahe penetrant sinnbeladen und bedeutungsschwanger zum platzen. Aber zumindest geht die Geschichte weiter.
Wie erwähnt steht ja auch immer die Frage im Raum, ob der Film nicht in Wirklichkeit einen Traum abbilde. Dies und der Verweis auf die Wichtigkeit von Symbolen sind einerseits Hilfen beim Betrachten des Filmes. Andererseits bringen sie die Gefahr mit sich, dass jede Kritik verunmöglicht wird. "Es war eben ein Traum!" oder "Das hast du falsch verstanden!" würden in diesem Fall zu Allzweckwaffen gegen jeden Einwand. Der Film würde zu beliebig. Oder wird es?

Aber am Ende will ich mir dennoch keine abschliessende Kritik anmassen. Ich konnte es sowieso noch nie akzeptieren, und werde es auch bei diesem Film nicht tun, wenn mit dem Spruch um sich geworfen wird, entweder "hasse man den Film oder man liebe ihn". Kein Film (und auch kein Buch oder Musikstück) war je so elementar und "kristallklar" aufgebaut, dass dieser Satz auf ihn zutreffen könnte. Es gibt an jedem Film gute und schlechte Seiten, und es gibt für jeden Film Leute, die ihn weder unerreichbar gut noch besonders schlecht fanden.
Bei "Eyes Wide Shut" gehöre ich zu eben diesen Leuten. Und wer den letzten Satz des Films für eine Genialität sondergleichen hält, dem sage ich, dass mich dieser Satz und dieses Wort weder besonders berührt noch besonders empört hat. Ich fand ihn einfach ziemlich ulkig und aufgesetzt.

Entweder mag liebt diesen Film,
oder man hasst ihn
...
oder aber man liegt wie ich irgendwo zwischendrin!

Himalaya
Drama, F, 1999
R: Eric Valli
A: Olivier Dazat, ...
D: Thilen Lhondup, Lhanka Tsamchoe, Gurgon Kyap, ... 

Link: Info & Interview


*
Es gibt inzwischen schon eine solche An-, beinahe gar Unzahl von Filmen, die sich mit der Welt und dem Leben im Himalaya-Gebiet beschäftigen, dass man versucht ist, kurz von "Himalaya-Filmen" wie von einem Genre zu sprechen. Dabei sind sie höchst unterschiedlich. Von reinen Dokumentarfilmen wie "Das Wissen vom Heilen" über - wenn mein Gedächnis mich nicht täuscht - ganz unkommentierte Filmberichte wie den "Salzmännern" bis zu dem Hollywood-esken "7 Jahre in Tibet" wurde in dem hohen Gebirge Zelluloid auf vielfältigste Weise belichtet.
"Himalaya - Die Kindheit eines Karawanenführers" lässt sich nicht wirklich einordnen, und gerade das ist meiner Meinung nach seine Stärke.

So ist der ganze Film sehr authentisch. Mitunter beinahe in unangenehmen Masse authentisch, weil man sich dann plötzlich bewusst wird, wie nahe man als Zuschauer dem kommt, was in einem Kommentar zu dem Film "Tibetophilie" genannt wurde. Jener verklärenden, unehrlichen Geisteshaltung, in der man vom warmen Kinosessel aus "zurück zur Natur" kommen will, ohne aber die damit verbundene Yak-Scheisse riechen zu müssen. Man hat auch mitunter den Verdacht, dass man nur das serviert bekommt, was man selbst erwartet - und dass man so die Mythenbildung fördert. Kommt man aber über diese unangenehmen Gefühle hinweg, oder findet man sich mit ihnen ab, ist es doch wunderbar zu wissen, dass die handelnden Personen eben wirklich "Personen" sind, wie Eric Valli betont, und keine Schauspieler.

Anders als die vielen ebenfalls authentischen Dokumentarfilme erzählt "Himalaya" aber auch eine (fiktive, wenn auch einigermassen lebensnahe) Geschichte, und zwar nach allen Regeln der Kunst. Die Dramaturige und die Figuren wecken nicht nur Interesse und Faszination, sondern auch immer wieder Spannung, wie man sie aus dem Popcorn-Kino nicht fesselnder kennt. Allerdings ist die Geschichte aus viel älterem, dauerhafterem Holz geschnitzt als viele der typischen Abenteuer-Filme - die Motive sind klassisch und unvergänglich; der Kampf der Generationen, das Verhältnis zwischen Mensch und Gott, Leben und Tod. Auch die Dialoge scheinen in ihrer Zeitlosigkeit den ewigen Bergwipfeln nachzueifern, in deren Schoss sie gesprochen werden. Es funktioniert nicht immer, aber manchmal schon; "Gestern war er ein Kind." Punkt.
Doch auch hier greift die Kritik an - "nach allen Regeln der Kunst" muss nicht nur gut sein. Es muss nicht jede Regel immer befolgt werden. Gerade gegen Ende des Films passt alles zu gut zusammen, folgt heldenhafte Aufopferung auf heldenhafte Rettung auf heldenhaften Tod, so dass man beinahe erwartet, an der nächsten Hügelkuppe die grossen, weissen Buchstaben "Hollywood" auftauchen zu sehen. Doch ein zu gut gemeintes Ende kann einem nach zwei wundervollen Kinostunden nicht mehr betrüben. Schliesslich fehlt es dem Film auch nicht an Humor, die Figuren des rüstigen alten Tinle und des nur das Klosterleben gewohnten Mönch Karma rufen manches Schmunzeln hervor. ("Und ich erst...")
Ein letzter Kritikpunkt, auf den man eingehen muss; die Geschichte behandle die Probleme nicht, die für die Menschen dieser Region durch die moderne Zivilisation entstanden sind. Es ist sogar so, dass die Geschichte auch vor 200 oder 300 Jahren geschehen könnte, da von eben dieser unserer Zivilisation nichts zu sehen und überhaupt nie die Rede ist. Dies könne doch nicht sein, so die Kritik.

Nun, warum eigentlich nicht? Weshalb muss jeder Film, der sich mit dem Himalaya und seinen Menschen beschäftigt, auch auf dieses Thema zu sprechen kommen? Ist es nicht auch eine Art schreckenslüsterne Nabelschau, wenn wir immer die Fehler der westlichen Zivilisation vorgeführt bekommen wollen, um dann heuchlerisch ausrufen zu können: "Aha! Sogar bis dahin haben wir unsere McDonaldisierung getrieben!" Natürlich ist dies ein drängendes Problem, aber nicht das einzige, und es macht nicht die ganze Welt aus. Die Menschen im Himalaya sollten uns auch unbeachtet seiner interessieren - es ist also eine schöne Ausnahme, einmal ganz und gar von der uns bekannten Welt abgeschnitten zu sein.
(Weshalb übrigens gibt es z.B. auch keine Filme über die amerikanischen Ureinwohner, in denen keine Cowboys vorkommen? Weil wir im Guten wie im Schlechten immer uns, unsere Kultur und unseren Einfluss sehen wollen, das und der "Andere" scheint für sich genommen nicht genug Interesse zu wecken.)

Zu erwähnen, nein, nachdrücklich zu betonen ist, dass "Himalaya", wie all die anderen "Himalaya-Filme", unglaublich schön anzusehen ist. Das liegt zum einen daran, dass man in dieser Landschaft die Kamera wohl beinahe überall aufstellen kann und immer ein wunderbares Bild schiessen wird, zum anderen natürlich an der Kameraführung. Schon die Anfangsszene ist atemberaubend, die Szenen am See lassen einem kaum mehr blinzeln wagen, sie scheinen fast nicht von dieser Welt zu sein.
So ist denn eigentlich auch der ganze Film: nicht von dieser Welt - und doch, gerade bei den Themen der Geschichte und den Figuren, mehr von dieser Welt als alles andere.

Die Bilder atemberaubend schön,
die Geschichte spannend und bewegend -
und leider etwas zu glatt abgerundet

Star Wars Episode 1 - The Phantom Menace
S-F, USA, 1999
R: George Lucas
A: George Lucas
D: Liam Neeson, Ewan McGregor, Natalie Portman

Link: Endlose Diskussionen über Qualität, Sinn und Unsinn des Films


*
Lieber nicht zuviele Worte verlieren darüber - aber es muss einfach gesagt werden. Dass der Film nicht fair beurteilt werden können würde, war schon klar - die Erwartungen waren einfach unrealistisch. Die alte Trilogie wurde durch den Dunst der verflossenen Jahre glorifiziert und ist in den Köpfen der Leute epischer und besser, als sie es eigentlich war.
Aber dass dieses Prequel gleich derart vermasselt werden musste, ist unbegreiflich. 20 Jahre hat Lucas sich Zeit gelassen - Jahre, in denen übrigens einige Romanautoren und Computerspiel-Programmierer einige gar nicht so schlechte Stories im Star Wars-Universum angesiedelt haben -, und dann liefert er so eine bemüht konstruierte, peinliche Geschichte ab.
Ein hirnrissiges, unglaubwürdiges Komplott, ein Junge, der mit sechs Jahren laut seinen Freunden schon "seit Jahren" an einem hochtechnisierten Pod-Racer rumbastelt und damit auch gleich ein bedeutendes Rennen gewinnt, Froschmenschen, die innert Tagen eine uralte Feindschaft leichten Herzens an den Nagel hängen - es ist, selbst wenn man einräumt, dass auch die ältere Trilogie eine nicht immer intelligente Geschichte erzählte, ein Trauerspiel.

Aber auch im Detail wurde fast alles vermasselt, was es zu vermasseln gab. Über Jar Jar kein Wort, aber warum müssen selbst die Federation-Aliens eine so debile Aussprache haben, dass es beinahe wehtut? Peinlich auch Anakins Mutter mit ihren Binsenweisheiten... "Du kannst die Sonne nicht am Untergehen hindern!" Soweiso: erstaunlich, wie holprig, trocken und schlicht langweilig die Dialoge sind - komisch, dass Lucas von den Special Effects-Leuten eine solch fantastische Leistung verlangte und selber dann offensichtlich nicht einmal bereit war, einigermassen sorgfältig an dem Script zu arbeiten!
Und der Jedi-Rat, der in einem Ausstellungsraum für 60-Jahre Möbel tagt, Anakin's an den Haaren herbeigezogener Ausflug in den Hangar des Federationsschiffes, die Anspielung auf unbefleckte Empfängnis und und und... Ach, hau' den Lucas!

Selbst Elemente aus den alten, guten, den guten alten Episoden werden ins Lächerliche gezogen: C-3PO etwa wurde vom jungen Anakin-Blag gebaut! Und die Kraft der Jedi-Riter basiert nicht etwa "nur" auf der das Universum zusammenhaltenden geheimnisvollen "Force", sondern auch auf knuddligen Mini-Bakterien, die durch das Blut aller Lebewesen wuseln! Dass die Probe darauf, ob jemand ein Jedi-Kandidat ist, wie ein Doping-Test bei der Tour de France daherkommt, passt dann haargenau ins soweiso zerstörte Bild.
Die wenigen guten Ansätze werden konsequenterweise sofort wieder fallengelassen; etwa die Idee, die Jedi-Ritter "The Matrix"-mässig pfeilschnell agieren zu lassen. Oder der Ausflug ins Unterwasser-Reich. Oder der Charakter Darth Maul, der so wunderbar auftritt wie er schnell und unattraktiv wieder verschwindet.
Braucht man zu erwähnen, dass das Design der Aliens, Kostüme und der fremden Welten fantastisch und die Spezial-Effekte atemberaubend sind? Dass doch dreieinhalb gute Ideen es bis auf die Leinwand geschafft haben (etwa die Kraftfelder im letzten Laserschwert-Duell)?
Und braucht man zu erwähnen, dass es angesichts der Story, der Charaktere und der Dialoge beinahe keine Rolle spielt? Es ist eben fast nichts mehr zu retten.

(Übrigens wird es allen, die mit Star Wars bisher nichts am Hut hatten (man könnte auch sagen: denen nichts an Star Wars und seiner Magie liegt), vermutlich ziemlich gut gefallen.)

Womit haben wir so was (enttäuschendes) verdient?
Und verdient Lucas,
was er damit jetzt verdient?

The Matrix
S-F, USA, 1999
R: Larry & Andy Wachowski
A: Larry & Andy Wachowski
D: Keanu Reeves, Laurence Fishburne, Hugo Weaving

Link: Whatisthematrix?


*
Es gibt einige Dinge an "The Matrix", die eigentlich nicht speziell erwähnt zu werden brauchen - aber beim Verschweigen derer doch der Eindruck entstehen könnte, sie wären nur nebensächliche Kritikpunkte. Was sie nicht sind. Mit Zaunpfahl-Product-Placment lässt sich ja noch leben, schon etwas weniger mit Story-Schustereien wie der genauso voraussehbaren wie grausig zurechtgehämmerten Liebesgeschichte oder der Batterien-Menschen. "Not too bright" indeed!
Was allerdings wirklichg wiederlich ist: solch eine Verherrlichung der Gewalt hab ich noch kein zweites Mal gesehen. Der Mörder im Racheengel-Gewand kennt nur eine Sprache; "We need guns." Zu cool, um pädagogisch unbedenklich zu sein?
Man kann die in Zeitlupe Bienenschwarm-ähnlich umherfetzenden Patronenhülsen und die dichten Schneeschauer aus aufspritzenden Betonbröseln ja auch als rein ästhetische, gar humoristische Szenen auffassen - aber es bietet sich nicht wirklich an.

Nun zur anderen Seite des Films. Neben dem Schwarz der Sonnenbrilen, der Nokia-Handys und des Waffenstahls gibt es nämlich eine interessante Geschichte - oder gleich zwei davon. Zum einen die Gedankenspielerei, dass die Welt unserer Sinne nicht mit der Wirklichkeit übereinstimmt. Zum anderen die Story um Neo, der die tieferliegende Wahrheit erkennen und den Menschen nahebringen kann. 
Die konstruierte (aber nicht wie überall behauptet schwer zu verstehende) Handlung von "The Matrix" speist sich also aus Fragestellungen und Ideen, die schon seit langer Zeit in verschiedenster Form ein Thema waren und sind. Da ist der berühmte chinesische Gelehrte, der nicht weiss, ob er ein wacher Mensch oder ein träumender Schmetterling ist. Oder Descartes, der einen böswilligen Dämonen postulierte, welcher ihm eine falsche Welt vorgaukeln könnte. (Wenn's denn kein anderer war!)
Die Geschichte um Neo ist noch viel bekannter, man wird im Film aufdringlich oft auf diese Parallele gestossen: Neo ist nicht durch geschlechtliche Zeugung entstanden, er wird die Menschen von ihren Täuschungen erlösen, er fliegt in der letzten Szene zum Himmel (hin)auf - und wird von den "Zionisten" sehnsüchtig erwartet... genug, genug, wir haben verstanden. Nur war doch in der Bibel nie von Maschinenpistolen die Rede?

Wie kann man das alles nun verstehen? Wie schon bei "The Truman Show", der ein sehr ähnliches Thema behandelte, geht es um das Individuum, das körperlich und geistig im Griff von Mächten ist, die es nicht durchschaut, um die es vielleicht nicht einmal weiss (Kafka im Regiestuhl...). Das Internet, das uns allen das Hirn verdreht und am Leben hindert? Die "anonyme Gesellschaft", in der wir wehrlos versinken müssen? Möglich, möglich.
Das Ende bleibt meiner Meinung nach (auch in "The Truman Show") eigenartig fade. Was ist genau gewonnen, worin bin ich als Zuseher schlauer als zuvor? Nun, eine Lösung der angesprochenen Probleme darf man von den Filmen natürlich nicht erwarten. Aber zumindest dies, dass nicht Probleme "beiseitegefilmt" werden. So ist es zwar wundervoll, wie ein einfacher Satz wie "There is no spoon" im Film eine grosse Bedeutung bekommen kann, aber wenn man das Kino verlässt und wieder in der richtigen Welt steht, mit richtigen Problemen, muss man festestellen, dass es eben doch "einen Löffel gibt."

Ungeachtet dieser Einwände ist "The Matrix", der zweifellos sehr spannend, tricktechnisch atemberaubend und angenehm schnell ist, auch anzurechnen, dass er solche Gedankengänge überhaupt hervorruft. Filme wie diesen darf man also auch nicht einfach zum Getümmel der "Science Fiction"-Filme rechnen und mit Effektspektakel wie "Species" auf einen Haufen werfen. Er ist auch schlicht zu gut dazu.
Mit einem anderen relativ intelligenten SF-Film, "Twelve Monkeys", hat er auch gemein, dass wohl viele Zuseher von der Frischheit, dem Unerwarteten der Geschichte erschlagen werden, und dabei völlig übersehen, dass diese eigentlich anderswoher stammt. Bei "Twelve Monkeys" etwa von einem älteren französischen schwarz-weiss-Kurzfilm namens "La Jetée", bei "The Matrix" eben soweit mir bekannt aus der Bibel und unter anderem von Descartes. Aber neues gibt's unter der Sonne ja soweiso nie.
Descartes würde dazu wohl sagen: Ich kopiere, also bin ich.

Spannende Story
mit fantastischen Effekten fürs nächste Jahrhundert -
und dummen Gewaltorigen aus dem Neandertal

Shall we dance?
Comedy, Japan 1996
R: Masayuki Suo
A: Masayuki Suo
D: Koji Yakusho, Tamiyo Kusakari

Link: Quicktime-Trailer


*
Während "Shall we dance?" in Deutschland erst jetzt in die Kinos kommt, hatten wir Schweizer schon vor einem Jahr das Vergnügen, ihn zu sehen. Und ein Vergnügen war es - selten habe ich mich bei einem Film so gut amüsiert. Es hatte natürlich auch mit meinem Interesse an der Japanischen Sprache zu tun, dass ich mich gleich drei Mal in die Kinoschlange einreihte (und die Videokassette werde ich mir auch kaufen...), aber genausoviel mit dem Herz, dem Humor und der Leichtigkeit dieses Filmes.

Er wurde, wie es anders nicht denkbar ist, für diese Leichtigkeit auch kritisiert. So war zu lesen, es sei kein Wunder, dass ein Film, der von Disney weltweit vertrieben wird, so harmlos und süss daherkomme. Nun ist es erstens etwas fragwürdig, einen Film danach zu beurteilen, von wem er vertrieben wird.
Zweitens darf man nicht daraus, dass ein Film einem mit guter Laune in die Nacht entlässt, schliessen, er sei kitschig und zahnlos. Zum Beispiel wird das graue Alltagsleben eines Tokyoter Angestellten gerade durch den Kontrast zur Welt glamuröser Ballsäle in "Shall we dance?" sehr schön gezeigt.
Drittens verleugnet der Film aber nicht, dass er in erster Linie unterhalten will - und danach sollte man ihn vorrangig beurteilen. Dann aber bleibt kaum etwas zu bemängeln.

Der Hauptdarsteller Koji Yakusho hat durch seine Darstellung des unsicheren, sinnsuchenden Angestellten Sugiyama einen grossen Anteil daran, dass die Geschichte einem so zu Herzen geht. Aber auch die restlichen Darsteller sind wunderbar, man könnte sie sich kaum passender denken. Tamiyo Kusakari als feenhafte Tänzerin Mai, Sugiyama's Mutter und Tochter, der heimliche "Latin-Lover" vom Büro - diese Charaktere werden nie zu den so oft gesehenen, alten Schablonenmännchen, wie sie so viele Komödien bevölkern. Sie scheinen bei aller Komik (mitunter bei aller Tragik) echte, lebendige Menschen zu sein, die man übrigens kurz nach Verlassen des Kinos schon vermisst.

Man kennt und teilt die Gefühle und Probleme, denen Sugiyama begegnet: der Ausbruch aus dem täglichen Trott, der schwere Kampf gegen Gewohnheit und Scham, die kleinen Sternstunden und grossen Sternminuten. Am schönsten sind vielleicht die beiden Liebesgeschichten: das stille, nie ausgesprochene Verliebtsein Sugiyama's in Mai und seine wiedergefundene, erneuerte Liebe zu seiner Frau.

Die Welt ist nicht immer ein sehr fröhlicher Ort, und so kann man fast jeder Komödie vorwerfen, sie zeichne ein falsches Bild der Realität. Aber sollte man nicht eigentlich froh darum sein, wenn bei aller Traurigkeit des Lebens hin und wieder ein Film uns zeigt, dass "la vita" eben doch "bella" ist, oder wenn er uns zum "dance" auffordert?

Wie gut kann eine leichte Komödie werden?
So gut!

Duel
Thriller, USA 1971
R: Steven Spielberg
A: Richard Matheson
D: Dennis Weaver

Link: Spielberg Database
(englisch und französisch)


*
Wenn man diesen Film sehen würde, ohne den Namen des Regisseurs zu kennen, würde man je darauf kommen, dass er "Steven Spielberg" lautet? Da Spielberg inzwischen auch für "ernsthafte" Werke anerkannt wurde und doppelter Oskarpreisträger ist, kann man ihm rückwirkend auch etwas schwerer verständliche Filme zutrauen, deshalb vielleicht ja.
Ja aber auch, weil Spielberg unverändert vor allem für eine Sache bekannt war und ist: Spannung. Und spannend ist "Duel" ohne Zweifel. Die Geschichte - die man wohl getrost mit dem Prädikat "kafkaesk" versehen darf - von einem Mann (namens David Mann), der auf einer Autofahrt einem riesigen, schwarzen Lastwagen vorfährt und dann von diesem den ganzen Film über verfolgt, gehetzt, beinahe ermordet wird, ist einfach und man könnte meinen zu simpel, als dass sie über 90 Minuten hinreichen würde. Tut sie aber, vor allem aufgrund Spielberg's Gefühl für Einstellungen, Schnitt, Timing.

Da ist es eigentlich schade, dass der Mann mitunter "laut denkt", oder dass dramatische Geigenzupfermusik das Auftauchen des unheimlichen schwarzen Lastwagens untermalt. Vermutlich hätte der Film auch ohne diese Verdeutlichungen funktioniert, er hätte aber noch authentischer gewirkt, wäre noch "filmischer" geworden.
Denn innerer Monolog und Geigenmelodien gehören streng genommen zu den Mitteln der Literatur und der Musik. Gewiss, sie werden auch in fast allen Filmen eingesetzt, aber gerade "Duel" geht, da er selbst auf eine dramatische, handlungsreiche Geschichte beinahe verzichtet, sehr weit in Richtung "reiner" Film. Film also nicht als aufgezeichnetes Theater, sondern Film als Film. Doch darüber haben gebildetere Leute zu urteilen.

Begrüssenswert finde ich, dass auf allzuviel Symbolik verzichtet wurde. Auch wenn manches da ist, das ins "innere Auge" fällt: Am Radio klagt ein Reporter über die ewig verstopften Strassen (die zu eng gewordene Welt?), ein verstörter Kerl dient (beim Klagen über seine herrsche Frau) als Beweis dafür, wie wenig der Mensch seine Umwelt eigentlich noch unter Kontrolle hat, der Fahrer, der vom Laster verfolgt wird, heisst zum Nachnamen "Mann", was uns allen erlaubt, uns mit ihm zu identifizieren, mit seinem Kampf gegen den gesichtslosen, übermächtigen Feind. Und beinahe scheitern tut Mann (also man, wir?) an eigener Unvorsicht - er lässt sich keinen neuen Kühlerschlauch einbauen, wo er doch mehrmals dazu ermahnt wird.

Und doch, selbst wenn man all diese Dinge sehr verschieden interpretieren kann, sie drängen sich nie in den Vordergrund. Der Film hält sich nicht mit bedeutungsschwangeren, endlos langen Einstellungen auf. Man zerbricht sich während dem Film kaum den Kopf, "wofür der Lastwagen denn steht", man ist viel zu sehr mit der klaren, einfachen Geschichte beschäftigt, die erzählt wird: Ein Mann kämpft mit seinem Wagen gegen einen Lastwagen um sein Leben. Duell ist der Titel, Duell ist der Inhalt des Films.
(Natürlich erlaubt gerade diese unverschnörkelte Erzählweise jedem Zuseher, sich seine eigenen Gedanken zu machen!)
Am Ende jedoch, und dies halte ich für sehr gelungen, nachdem der Kampf geschlagen und gewonnen ist, taucht nicht einfach die blaulichtbewehrte Polizei auf und holt den Helden Mann nach Hause - nein, Mann ist nicht bereit, sofort zur Tagesordnung überzugehen, das Geschehene als den Streich eines Irren abzutun. Er setzt sich hin und denkt nach. Bis zum Sonnenuntergang, und länger.

Weshalb keine uneingeschränkte Begeisterung? Zum einen wegen der erwähnten Kritik an den gesprochenen Gedankengängen und der vermutlich überflüssigen Musik, zum anderen deshalb, weil der Film doch ein, zwei Längen hat: Der Lastwagen ist mal wieder weg, man weiss aber, dass er bestimmt wieder auftauchen wird, und darauf wartet man dann eben. Von dem Film existieren allerdings zwei Fassungen, eine von 90 Minuten fürs Kino, eine kürzere fürs Fernsehen. Vielleicht wäre die zweite gerade kurz und gerade lang genug.

Mitreissend und in gutem Sinne ungewohnt -
und ein wenig zu lang

Tokyo Eyes
Thriller, Frankr. & Jap. 1998
R: Jean-Pierre Limosin
A: Jean-Pierre Limosin
D: Shinji Takada, Hinano Yoshikawa, Takeshi Kitano

Link: Analyse & Interview (französich)


*
Ich habe den Film zweimal gesehen, und beide Male kam ich gutgelaunt aus dem Kino. Das hat seinen Grund, der unter anderem aber nicht nur beim Ende des Filmes liegt. Zu Beginn jedoch ist es alles andere als selbstverständlich, weshalb "Tokyo Eyes" für gute Laune sorgen sollte.
Schliesslich geht es darin um einen jungen Typen (nur "K." genannt), der "verkleidet" mit einer - wenn auch harmlosen - Pistole auf Menschen schiesst. Und um das Mädchen (Hinano), welches ihn kennen- und wohl auch lieben lernt und mit ihm etwas ziellos durch die Monsterstadt Tokyo irrt.

Aber man muss die Handlung eigentlich nicht beschreiben, weil es in diesem Film viel mehr um die Stimmung geht. Schon in der ersten Szene geht es los: Beinahe hypnotische Musik, dazu ein schneller Gang durch Bahnhöfe, Bäder, Gassen, durch eine Welt aus Lichtkleksen. Und man ist, wie ein Freund von mir richtig bemerkte, immer ganz nahe dran, mittendrin. Kaum eine Totale, alles ist eng, man schaut über Schultern und in Gesichter.
Wie sollte es auch anders sein, in Tokyo, in der grössten Stadt der Welt, wo es alles gibt ausser einem, Platz nämlich? Und nicht nur das Platzproblem erlebt man "am eigenen Leibe" mit. Die labyrinthischen Wege, das Ziellose irren, das Bombardement mit Bildern und Tönen sind wunderbar geschickt in den Film eingewebt.

Diese unaufhörlich hereinstürzenden Bilder sind es ja auch, die K. erst zur Waffe greifen lassen. Er fühlt sich, wie er sagt, als habe er keine Lider, als könne nichts die Bilderflut aufhalten. Und wer könnte dies in der Zeit des Internets, der Talkshows, der Monica Lewinsky nicht nachempfinden?
Doch wie soll man sich dagegen wehren? Wie soll sich K. gegen irgendetwas wehren, in dieser chaotischen und doch so durchorganisierten Gesellschaft? Wie wehrt sich eine einzelne Ameise im Ameisenhaufen? Sie ist dazu verdammt, ihre Aufgabe als kleines Rädchen zu erfüllen, denn zu anderem ist sie zu schwach. K. schiesst zwar, aber seine Waffe kann nicht verletzen. Und selbst wenn sie es könnte, wen würde sie treffen als andere, ebenso kleine Ameisen, Zahnrädchen?
Hinano öffnet, oder besser schliesst K. die Augen. Ermöglicht es ihm, die bildertosende Aussenwelt auch draussen zu lassen, nimmt ihn unter ihren Schirm. Durch sie ändert er sich. Dies merkt man nicht nur an der neuen Frisur, er sagt es sogar selbst. Seine Brille, die das Gegenteil der "rosa Brille" ist, zerstört er. Aber K.'s Wachheit bleibt doch erhalten: Selbst Hinano's Augen werden klarer, K. wäscht sie - mit der Zunge!

Den Schluss könnte man ein Happy-End nennen, aber man würde ihm damit nicht gerecht. Er ist ein wunderbares Beispiel dafür, wie einfach die Antworten auf die Fragen des Lebens manchmal (immer?) sein können. Was machst du mit der neugekauften, silbern-glänzenden Pistole? Wirf sie weg! Was machst du, wenn du vom Schicksal verwundet und orientierungslos bist? Lebe weiter! Und der Film, der mit Pistolenschüssen begann, endet mit Mädchenlachen.

Am Ende des 20. Jahrhunderts stehen wir vor einer ungewissen Zukunft, in einer verwirrenden Welt, verloren manchmal, verängstigt, verwirrt. Das Grossartige an "Tokyo Eyes" ist, dass der Film nicht nur diese Stimmung zielsicher einfängt, sondern dass er darüber hinaus weder fatalistisch noch überhaupt pessimistisch ist. Im Gegenteil: Ich habe den Film zweimal gesehen, und beide Male kam ich gutgelaunt aus dem Kino.
Und was will man eigentlich mehr?
(Die CD mit der Filmmusik vielleicht...)
 

Uneingeschränkt empfohlener
Tokyo-Trip

Focus
Drama, Japan 1996
R: Satoshi Isaka
D: Tadanobu Asano, Keiko Unno, Akira Shirai, Tetsuro Sano

Link: Filmausschnitt


*
Iwai, ein sensationslüsterner TV-Reporter, überredet einen jungen Mann, Kanemaru, dazu, eine Reportage mit ihm zu machen. Iwai legt dabei mehr Wert auf spannende Geschichten als auf die Wahrheit.
Was dennoch relativ harmlos beginnt wird zu tödlichem Ernst. Denn der junge Mann hat ein besonderes Hobby: er hört mit einem speziellen Empfänger anderer Leute Telefongespräche mit. Auch dies will die TV-Crew hautnah miterleben, und so bekommen sie bei laufender Kamera ein Gespräch zwischen zwei Gangstern mit, welche die Übergabe einer Pistole via Schliessfach besprechen. Während Kanemaru das Ganze schon zu weit geht, hat der Reporter Iwai jetzt "Blut geleckt", ihn dürstet es nach einer noch spektakuläreren Story - und er holt selbst die Waffe aus dem Schliessfach. Das Unheil nimmt weiter seinen Lauf, bis zur Katastrophe...

"Focus" ist ein sehr aufwühlender Film. Dies kommt unter anderem daher, dass er mit nur einer Kamera gedreht wurde, der Kamera der TV-Crew - oft unscharf, verwackelt. Man sieht also alles so, als wäre man mittendrin. Und das ist man ja eigentlich auch.
Denn es geht bei diesem Film um etwas, woran wir alle teilhaben: um die Auswüchse der skandalhungrigen, amoralischen modernen Mediengesellschaft. "Focus" entstand schliesslich auch als Reaktion auf einen Skandal um gefälschte TV-Berichte. Und so tritt das Fernsehen hier mit schlimmer Fratze auf, mit der des quotenlüsternen Iwai nämlich, von dem man bald merkt, dass er wohl über Leichen gehen würde - was er dann auch tun muss.  Er treibt Kanemaru immer weiter, setzt ihn immer mehr unter Druck, bis das Fass überläuft.

Dabei ist der junge Mann keinesfalls ein Unbeteiligter. Seine Obsession, anderer Leute Gespräche abzuhören, steht als Sinnbild für die Tendenz in unserer Gesellschaft, jede Privatsphäre zu zerstören, jede Schamgrenze zu übertreten. Er dringt in fremder Leute Leben ein, so wie nun die TV-Crew in seines eindringt.
Und die anderen Figuren? Die Assistentin des Reporters, die einzige Frau im Film, hat Anweisungen widerspruchslos auszuführen und den Mund zu halten, sie wird beherrscht, schliesslich sogar vergewaltigt. Der Kameraman schliesslich, drittes und letztes Mitglied der TV-Crew, bleibt unsichtbar, unfassbar. Er steht für die gesichtslose Masse, die nur zusieht, in der irrigen Meinung, unbeteiligt zu sein. In Gefahr fühlt er sich nicht bedroht, bei Gewalt bietet er keine Hilfe an - zwischen ihm und der Wirklichkeit steht schiesslich die Kamera. (Der Kameramann wurde übrigens vom Regisseur selbst gespielt, was auch bedeutet, dass er selbst gefilmt hat.)

Besonders eindrücklich auch die lange Autofahrt durch das nächtliche Tokyo, bei der aus dem Funk-Empfänger ein chaotischer Wortbrei zerstückelt aufgefangener Telefongespräche quillt, so dass man das Gefühl bekommt, nicht nur die konkrete Stadt, sondern auch das sie überspannende Meer aus Gefühlen und Gedanken zu bereisen. Im stetig wuchernden Netz von sinnlosen Informationen zu treiben.

Ganz am Ende schliesslich, und ich kann mir kaum ein besseres Ende vorstellen, wird die Geschichte nicht gefällig aufgelöst oder sonstwie abgerundet. In einem Film wie diesem, in einer Zeit wie der unseren, da kommt das Ende einfach dann, wenn der Kamera die Batterie ausgeht...

Spannende Idee,
packend und konsequent umgesetzt -
man denkt länger darüber nach

*

Alle Texte, Bilder & Ideen auf dieser Page - (c) 1998 & 1999 Moritz Gerber