KURZER PROBELAUF GRATIS

1. Akt:
Mann und Frau, ungeduldig, drängen in einen dunklen Raum. Ziehen die Tür zu. Gierig reissen sie sich die Kleider weg – Kleider und Gesichter bleiben im Dunkel und der Bewegung undeutliche Schatten.

Die jenseitige Welt, ein weiter Saal. Hell, strahlend, marmorglänzend... P. tritt ein, nackt. Ein Mann in elegantem Schwarz, mit einer Eule auf der Schulter, nickt ihm zu. Winkt eifrige Helferinnen herbei. Diese führen P. zu einem Dampfbad, wickeln ihn in Tücher. Wickeln ein Tuch um seine Augen. >Schwärze.

Planet Erde: Ein mopsiger Köter leckt P.‘s Gesicht mit hündischer Hingabe. P. liegt unterm Nachthimmel – auf einer weiten Wiese. Erwacht, erschrickt, und stürzt sich panisch davon. Köter hinterher. Eine junge Frau, Jessica, ruft ihn hilf- und wirkungslos zu sich.

P. springt hinter einen Busch. Alles bedrohlich, dunkel. Da ist wer! Neben ihm, ein Junkie, der sich grad‘ die Nadel setzt. Der Junkie schaut auf, flippt aus, schlägt mich einem Ast des Busches auf P. ein – der dem Junkie dafür die Nadel aus den Fingern greift, drohend die Spitze auf ihn richtet. Auch den Ast greift er sich.

Der Köter taucht auf, P. läuft weiter. Der Junkie auch, stürzt aber sofort Zombie-ähnlich in sich zusammen. Nun kommt es zum Showdown, der Köter holt P. ein – P. sticht ihm die Nadel in die Seite. Sie fällt zu Boden – leer!

P. wieder auf und davon, der Köter etwas verwirrt. Eigenartiges Gurgeln, Torkeltanz. Jessica erscheint, bückt sich besorgt zum Hundchen – da fällt, unbemerkt, ein Päckchen Kondome aus Frauchens Tasche ins feuchte Gras.

Jessica trägt ihr Hundchen weg, P. wagt sich vorsichtig wieder hinterm Baum hervor. Seine fremden Alien-Sinne nehmen jetzt erstmals Schönes wahr: Vogelzwitschern, Abendhimmel, Blätterrauschen. P. findet: Spritze und Kondome. Wie zwei Schätze hält er sie vor sich hin, dazu den Ast.

Mann und Frau, nun der Kleider fast entledigt, fädeln ein. Erwartungsfrohes Lust-Wimmern.

2. Akt:

P.‘s Finger blutet – der Hund, der Ast? Ein Kondom ausgepackt, angeschaut, sich gefragt: was ist das Zeug?! Und es über den blutenden Finger gestülpt. Aha!

P. geht weiter, liest Nüsse, Blätter, Dosen auf – was immer herumliegt.

Da: ein Geräusch! Komisch, tierisch, keuchend, ächzend... Gefahr?! Wieder hechtet P. hinter einen Baum. Blinzelt hervor. Ein schweisstäubender, kehlenraspelnder Jogger wuchtet sich vorbei. Mit Alien-Sinnen verfolgt P. den Fitness-Freak. Vielleicht passt er sich am besten den hiesigen Sitten an? Ok! Und P. läuft los, fröhlich dem Jogger hinterher – in Händen: Spritze, Kondome, Ast, Blätter, alte Dosen.

Der Fitness-Freak wirft einen Kontrollblick nach Backbord – und ihm fällt das Herz in die Hose: verfolgt von einem Verrückten! Er läuft, schneller, und jetzt mit einem Ziel: Weg! P.: Aha, jetzt ist schneller laufen angesagt. Angesagt, angepasst, P. läuft schneller.

Schneller und schneller, hinten wie vorn. Der Jogger in Todesangst, reisst sich Geld-Scheine den Taschen, wirft sie hinter sich. P., nicht faul, sammelt weiter – und setzt die Verfolgung fort. Eine Wurzel, ein Stolpern, der Jogger geht zu Boden. Furchtvoll sieht er P. sich nähern. P. aber blickt ihn bloss interessiert an... und geht dann weiter.

Nackte Haut, glühend heiss. Der Rhythmus des Stossens setzt ein.

P. tritt aus dem Park. Drüben, Jessica, lädt ihr – komisch! – todmüdes Hundchen in den Wagen. Hundchen hat zuvor noch auf den Gehsteig geschissen. Das Häufchen erregt P.‘s Aufmerksamkeit, er liest es sorgfältig mit einem der Geldscheine (100 Mark) auf, wickelt es ein. Ein weiterer Fund!

Jessica fährt ab, P. zur anderen Strassenseite. Läuft weiter, die Welt mit Sinnen einfangend. Plötzlich: WAMMM! Eine Informations-Breitseite: Elektronikgeschäft mit Schaufenster voller TV-Bildschirmen. Alle senden volles Rohr: Sex, Krieg, Talk, Trickfilme, Music-Clips. P. starrt schwindelnd in das Farbgeblitze. Die Sinne überladen, verzerren – P. stolpert zurück, fällt um.

Leerer Blick auf den Beton. Es fällt klirrend ein 5-Mark-Stück vor P.‘s Nase – ein gnädiger Passant. Das Klirren und Rollen des Metals überlagert das Chaos in den Sinnen, sie beruhigen sich. P. kann wieder aufstehen, unsicher auf Füssen. Er torkelt etwas weiter, sieht eine Sitzbank, drauf!

Links von ihm: Mutter und Sohnemann, 7jährig. Rechts: Punk, zieht sich einen Kaugummi aus dem Päckchen, wirft ein, kaut. Aha! P. zieht ein Kondom aus dem Päckchen, wirft ein, kaut. Er sieht zum Sohnemann hinunter, bietet ihm lächelnd ein Kondom an – das ist lecker! Die Frau Mutter entgeht knapp dem Herzinfarkt, haut P. eine schmetternde Ohrfeige. Punker, Mamma und der lustig grinsende klein Fritz verschwinden im ankommenden Bus.

P. schaut rätselnd auf Kondome. Noch zwei übrig. Eins ausgepackt, in die Länge gezogen. Und länger, länger. Es rutscht aus seinen Fingern, fetzt einem jungen Typen - Klaus - ins Gesicht. Aha! Klaus ist böse, kommt auf P. zu – sieht das übrige Kondom in dessen Hand. Oh, Klaus, so bemerkt Klaus eben, hat seine eignen Kondome zuhause vergessen! Na gut, nimmt er eben P.‘s, zur Strafe. Und verschwindet im Bus.

Halt! Das war P.‘s Kondom! P. ist ausser sich. Der nächste Bus. Duell zwischen Angst vor dem Bus und Drang zum Kondom – der Drang gewinnt, P. steigt ein.

Heftiges Atmen, Stöhnen. Liebesakt im vollen Gange. Schweissperlen gleiten über heisse Haut.

3. Akt:

Der Bus. P. steht da, schaut vorsichtig um sich. Ein Handy-Klingeln! Synchroner Kontroll-Griff von einem Dutzend Fahrgästen zu den Jackentaschen. Ist’s meins? Auch P. sieht in seiner Jacke nach, findet nichts. Sieht nochmal nach, wonach er denn eigentlich nachsah. Nichts? Einer der Handy-Menschen, schaut P. böse an. Wichser!

Da sieht P. durchs Fenster Klaus vor einer Disco stehen! P. stürzt sich bei der nächsten Haltestelle raus, geht zur Disco. Ein Lichtertempel, ein Klanggewitter. Die Augen weit aufgerissen geht P. zum Eingang. Der Türsteher blockt den Weg – doch beim tiefen Blick in P.‘s Augen fällt sein Arm, P. darf rein... Hypnose?

Musikgedröhn, Menschenwirren und Lichtexplosionen brechen über P.‘s Kopf zusammen. Langsam geht er zur Bar. Sucht: sein Kondom und Klaus, den Dieb. Findet: einen bekifften Kerl. Dem Kerl gefällt P. Er bläst ihm eine Joint-Wolke um die Ohren. Auch einen Zug? P. greift zu. Und ist damit am Ende seiner Aufnahmekapazität angelangt. Starrt schwindelnd ins Gewirr.

Eine Disco-Schnalle tritt dazu – Jessica! Offensichtlich auf Beutezug, Partnersuche. Ha, ihn kennt sie doch! Sorry wegen vorhin, hat er ihr jetzt vielleicht Feuer? Nein, aber er könnte ihr behilfsweise auf die Füsse kotzen. Bittesehr... Bei Erbrochenem auf neuen Schuhen hört der Spass auf – P. wird gepackt und zur Toilette geschleppt. In ein Klo-Abteil gestossen. Soll sich erst Mal auskotzen.

Im Rausch glaubt P. sich gefangen. Wo geht’s raus? Da, unten, ein Spalt zwischen Holzwand und Boden! Sich auf den Kachelboden gepresst, gekrochen – verflucht, da passt P. nicht durch... aha! Er steht auf die Klobrille und klettert ungelenkig aus dem Klo-Abteil. Wow, was denn er geschluckt habe, will ein Klo-Besucher wissen. P. stolpert auf den Gang hinaus, weg, auf die Strasse.

Mit grosser Verwirrung irrt er jetzt durch die Nacht. Menschen, Penner, Schnorrer – P. beginnt zu laufen. Weg!

Plötzlich stutzt er: da, wenige Schritte vor ihm: Klaus und Jessica, gehen eben zu einem Hauseingang. Jessica grübelt nach dem Schlüssel, zitternd schon vor Erregtheit. Scheisse! Wo sind die Präser?! Die Rettung: Klaus hat einen – wir wissen ja welchen! ... Das ist P.‘s Chance: er stürzt sich verzweifelt nach vorne, reisst das Kondom an sich – sein Stück der Welt – und fetzt davon.

Scheisse! Geilheit und Risiko sind aufzuwiegen. Geilheit siegt. Dann eben ohne! Jessica und Klaus verschwinden im Haus.

P. steht wieder im Park, alleine. Endlich Ruhe. Er packt das Kondom aus, schaut es zärtlich rätselnd an. Dann hält er es gegen den Himmel, neben den Mond – wie es ihm gleicht. Aha...! >Schwärze.

Die zwei bewegten Körper rasen hart zuckend dem Höhepunkt zu...

Die jenseitige Welt, der stille, hohe Saal. P. wird das Tuch von den Augen gezogen. Er sieht erschöpft und unsicher um sich.

Der Schwarzgekleidete mit fragendem Blick. Ja oder nein? P. zögert... ein, zwei Blicke hier-, dorthin. Ja? Nein?

Dann nickt P. Ja.

Gleichzeitig: Mann und Frau, wir sehen jetzt die Gesichter. Der Höhepunkt! Jessica atmet tief aus. Karl atmet tief aus. Blick nach oben: an der Decke über ihren verknoteten Leibern klebt ein grosser, leuchtender Stern-Sticker.

Helles Weiss. Leise das Weinen eines Babys. Dann lauter, auch das bild wird deutlich: ein Spitalzimmer. Ein neugeborenes Kind (sieht es nicht ein wenig aus wie P.?) liegt in Mutters Armen. In Jessicas Armen! Daneben der stolze Vater – Klaus.

Die jenseitige Welt: ein neuer, nackter Kandidat betritt den hallenden Saal. Draussen, ein langer Gang – es stehen noch unzählige Nackte darin Schlange. Wir huschen an ihnen vorbei, weiter, weiter...

Wir huschen an Babys auf der Babystation vorbei, unzählige Babys...

... nackte Schlangensteher, Babys, Schlangensteher, Babys, weiter, rasende Fahrt...

... und das Ende: der bogenartige Eingang zum Korridor in der jenseitigen Welt. Davor ein Schild, eine eigenartige Schrift:

"Das Leben(tm); - Versuchen Sie es! (Kurzer Probelauf gratis!)"
 
 

© Moritz Gerber