Dialogauszug
Schriftzeichen
von
Moritz Gerber und Stephan Winkler
Anton sitzt auf einer Parkbank neben einem Fussballfeld, auf dem ein paar Kinder laut rufend und fluchend Fussball spielen.
Philipp nähert sich der Parkbank von hinten, ohne dass Anton ihn bemerkt. Als ein Ball in Richtung des alten Mannes getreten wird und bis vor seine Füsse rollt, bleibt Philipp stehen und beobachtet, was geschieht; Anton schaut den Ball an, macht aber keine Anstalten, ihn zu treten oder aufzuheben.
Ein kleiner JUNGE (8) kommt gelaufen, bleibt ein paar Schritte vor Anton eingeschüchtert stehen. Anton sieht ihn schweigend an.
JUNGE
Kann ich...?
Als Anton keine Antwort gibt, greift sich der Junge den Ball und huscht davon.
Philipp geht nun zu der Bank hin und setzt sich wortlos neben Anton, blickt wie dieser zu den spielenden Kindern.
Anton blickt Philipp kurz an und wendet sich dann wieder ab. Beim Fussballspiel fällt ein Tor.
Anton
War auch Zeit...
Philipp
Sehen Sie schon lange zu?
Anton
Nein...
Ich weiss nicht. Ich trage keine Uhr, schon lange nicht mehr.
Das Mädchen dort spielt gut, mit den schwarzen Haaren.
Anton wendet den Blick zu einem Park, an den das Fussballfeld grenzt.
Anton
Ich war spazieren. Kennst du den Park?
Philipp
Nein, ich hatte bisher noch keine Gelegenheit. Vor meinem Zivildienst war ich noch nie in der Gegend.
Anton
Ein sehr schöner Park.
Ein Jogger trabt an der Parkbank vorbei, offensichtlich schon etwas am Ende seiner Kräfte.
Philipp
Die suchen nach Ihnen.
Anton
Ich versteck´ mich ja nicht.
Philipp
Das war Ihr Sohn heute?
Anton
Ja, ja.
Der konnte früher auch ganz gut Fussball spielen.
Philipp
Und Sie?
Anton
Denkst du, dass ich mich so weit zurückerinnern kann?
Philipp
Ich bin mir sicher.
Anton
Ich habe nicht schlecht gespielt. Wir haben oft gespielt.
Philipp guckt sich schnell um und entdeckt ein paar Schritte weitere eine Telefonzelle.
Philipp
Ich sollte mal schnell die Maya anrufen. Sonst schicken die noch die Polizei los...
Anton
Die Polizei? Wegen mir?
Philipp
Naja, die haben halt gleich Angst wenn etwas passiert.
Philipp steht auf und geht zur Telefonzelle, betritt sie. Dort zieht er seine Brieftasche hervor, merkt aber, dass er keine Telefonkarte hat. Er nimmt sein Handy aus der Jackentasche und wählt eine Nummer.
MAYA
Hübner, hallo?
Philipp
Ja, hallo, ich bin´s.
MAYA
Ach, Philipp. Hast du ihn gefunden?
Philipp
Ja, er sitzt hier friedlich auf einer Bank. Ich bleib´ noch ein bisschen hier mit ihm...
Anton sieht unterdessen weiter dem Fussballspiel zu, schliesst aber dann die Augen und lauscht dem Lachen und Rufen der Kinder.
Schliesslich tritt Philipp aus der Telefonzelle und geht zurück zur Parkbank. In dem Moment wird der Fussball wieder in Richtung der Bank getreten, er fliegt auf Anton und Philipp zu. Philipp zielt und tritt schwungvoll nach dem Ball – trifft ihn aber so unglücklich, dass er nach einer jämmerlichen Bananenkurve gegen einen Baum prallt und dort liegenbleibt.
Anton
Du hast aber noch nicht soviel Fussball gespielt in deinem Leben?
Philipp
Ehrlich gesagt nein...
Er setzt sich wieder hin.
Anton
Ich jetzt auch nicht mehr.
Es gibt so viele Dinge im Leben, die man machen kann aber nicht tut.
Und jeden Tag gibt es weniger, was man noch tun kann, und mehr, das man hätte tun können.
Philipp´s Handy klingelt. Er kramt es aus seiner Jackentasche.
Anton
Ach, du hast so ein... Telefon.
Philipp
(etwas verlegen:) Ja, aber ich benutze es halt fast nie...
Philipp hält sich das Handy ans Ohr.
Philipp
Steffen, Hallo?
MAYA
He, Philipp, ich bin´s. Du, wo seid ihr denn jetzt genau? Herr Gärtner ist hier und möchte sich noch von seinem Vater verabschieden.
Philipp
Einen Moment...
(zu Anton:) Es ist Maya. Ihr Sohn möchte sich von Ihnen verabschieden.
Anton
Wie? Per Telefon...?
Philipp
Maya, kannst du mal den Herrn Gärtner ans Telefon holen?
MAYA
Augenblick...
Philipp reicht Anton das Handy.
PETER
Hallo, Vater?
Anton
Ja, was ist denn?
PETER
Wir fahren jetzt nach Hause. Wo bist du denn jetzt, ich wollte dich noch sehen...
Anton
Du kannst dich ja am Telefon verabschieden.
PETER
Aber... Weshalb bist du denn weggelaufen? Wollen wir uns nicht noch schnell sehen?
Anton
Nein. Lass mal.
PETER
Naja, also gut. Dann... ich ruf´dich dann wieder an, in Ordnung?
Anton
Ja. Grüss´ den Kleinen von mir.
PETER
Mach´ ich. Also, tschüss...
Anton gibt Philipp das Handy zurück. Philipp steckt das Handy wieder in seine Jackentasche.
Philipp
Und, alles klar?
Anton
Klar? Schon lange nicht mehr.
Anton steht auf und blickt Philipp an.
Anton
Wollen wir noch ein bisschen spazieren gehen?
Philipp (schmunzelnd)
Warum nicht. Jetzt wo ich schon mal hier bin.
Anton und Philipp gehen in Richtung Park.